George Best ist eine Legende. Nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz, was unter anderem an Sätzen wie diesem liegt: „In 1969 I gave up women and alcohol – it was the worst 20 minutes of my life.“
Eben jener Spruch prangt nun auf der Brust von Lensons T‑Shirt. Vor ihm auf dem Tisch liegt eine Jacke der Marke Stone Island, daneben steht ein volles Pint. Zu sehen ist das alles auf seinem Instagram-Account. Dort postet Lenson regelmäßig Bilder seiner Outfits. Auf Parkettboden liegen dann ordentlich arrangiert Adidas-Sneaker, Pullis von Weekend Offender, Poloshirts von Sergio Tacchini, Jacken von C. P. Company und Hosen von Peaceful Hooligan. Was alle diese Marken gemeinsam haben? Es sind Modelabels, die meist teure, robuste und schlichte Kleidung mit einem dennoch hohem Wiedererkennungswert herstellen. Und: Sie werden typischerweise von Casuals getragen. Lenson ist einer von ihnen.
Ladenplünderung als Ursprung
Der Legende nach wurden die Casuals 1977 bei einer Auswärtsfahrt des FC Liverpool nach Frankreich aus der Taufe gehoben. Dabei plünderten die britischen Anhänger mehrere Geschäfte und kehrten mit brandneuer Sportkleidung von Ellesse, New Balance und Adidas zurück auf die Insel – und in die heimischen Stadien.
Ins Stadion geht auch Lenson fast jedes Wochenende. Der Berliner ist Anhänger von Hertha BSC und trifft sich im Olympiastadion mit Seinesgleichen. Die Casual-Kultur sei für ihn die „perfekte Mischung aus Mode und Fußball“, sagt er, seinen beiden größten Leidenschaften. „Für mich ist das ein ganzes Lebensgefühl: Klamotten, Fußball, Musik, gepflegt einen trinken“, erzählt Lenson.
Vom Fight Club in den Musikclub
Doch ganz so harmlos war die Casual-Kultur in ihren Anfängen nicht. In den 70er und 80er Jahren prägten Hooligans die englischen Fankurven, Schlägertypen beherrschten die Tribünen und trafen sich vor oder nach den Spielen zu Auseinandersetzungen mit Anhängern anderer Klubs. Der Casual-Modestil verbreitete sich schnell in der Szene. Denn in teuren Markenklamotten waren die gewaltbereiten Männer aus der Arbeiterklasse für die Polizei nicht mehr so leicht zu identifizieren wie als Skinheads in Springerstiefeln oder Fußballfans in Vereinsfarben. Gleichzeitig schafften sie so einen gewissen Gemeinschaftssinn und eine unauffällige Möglichkeit der Identifikation. Zu jener Zeit gingen Hooligan- und Casual-Kultur nahtlos ineinander über.
Nach einschneidenden Ereignissen wie der Heysel- oder der Hillsborough-Katastrophe mit zahlreichen Toten gerieten die Hooligans auf den Tribünen jedoch in den Fokus der Politik. Mit rigorosen Sicherheitsmaßnahmen, darunter der Abschaffung von Stehplätzen, wurden die Hools weitestgehend aus den Stadien vertrieben. Ein neues Zuhause fanden sie in der Musikszene. Nicht nur, dass das Hören von Bands wie The Cure oder New Order Teil der Kultur wurde: Fortan traf man sie in den Clubs englischer Städte an. Bands wie Oasis oder Happy Mondays, deren Ursprünge sich eindeutig in die Casual-Szene zurückverfolgen lassen, wurden populär und machten den Casual-Style einer breiteren Masse bekannt.
#footballcasual #casualstyle #thefirm
In den Fankurven außerhalb Großbritanniens spielte die Kultur allerdings lange Zeit kaum eine Rolle. Das änderte sich jedoch mit der Veröffentlichung von Büchern oder Filmen wie Hooligans (2005) und dem Remake von The Firm (2009). Die Spielfilme zählen mittlerweile zu absoluten Klassikern und portraitieren die englische Hooligan- und Casual-Szene eindrücklich. Inzwischen erlebt die Kultur ein großes Revival.
„Sich von der breiten Masse abzusetzen ohne dabei extrem herauszustechen“, begründen Julian und Johannes ihre Entscheidung, Casuals zu werden. Auch sie betreuen einen Instagram-Account, auf dem sie den Casual-Style zelebrieren. Warum sie das machen? „Wir wollen zeigen, dass man sich auch als junger Mensch gut kleiden kann.“ Damit sind Julian, Johannes und Lenson nicht alleine: Rund 90.000 Posts findet man, wenn man auf Instagram nach dem Hashtag #footballcasuals sucht, über 120.000 unter #casualculture. Zahlreiche Profile wie die von Lenson, Julian und Johannes widmen sich ganz und gar dem Casual-Lifestyle.

Dass die oftmals britischen oder italienischen Marken heute wieder gefragt sind, ist auch in Deutschland deutlich zu spüren. Hierzulande gibt es bereits einige Geschäfte, in denen ausgewählte Kleidungsstücke einschlägiger Labels feilgeboten werden. Sie heißen „The Smart Dresser“ oder „Casual Couture“ und haben alles, was das Casual-Herz begehrt.
Ein Betreiber eines Casual-Stores erklärt sich den Aufschwung einerseits mit einem großen Verlangen der Fußballfans nach besonderen Styles, andererseits trage auch Instagram dazu bei, dass sich der Kundenstamm seines Ladens zunehmend verbreitert. Über die Social-Media-Plattform vernetzen sich die Fußball- und Modefans weltweit und sorgen so dafür, dass die neuesten Produkte, Angebote und Trends in Windeseile viral gehen.
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