
Seine Augenbrauen sind eng zusammengekniffen und seine Haut schlägt zwischen Nase und Stirn eine tiefe Falte. Dazu fletscht er die Zähne. Er sieht aus, als wolle er jemanden oder etwas wutentbrannt attackieren. Dabei wurde der Angriff doch gerade erfolgreich abgeschlossen: Soeben hat er Robert Lewandowski das Tor zum 2:0 im Supercopa-Finale gegen Real Madrid aufgelegt. Den ersten Treffer hatte er zuvor selbst erzielt. Seine Teamkollegen jubeln lachend. Er allerdings nicht. Ist der Spielstand gegen den großen Rivalen denn kein Grund zur Freude?
Der Name des zornigen Mannes ist Pablo Martín Páez Gavira, besser bekannt als Gavi. Am vergangenen Sonntag war er der entscheidende Faktor für den FC Barcelona. Sein Coach Xavi sagte nach der Partie über ihn: „Die Wut, die von ihm ausgeht, ist spektakulär.“ In der Tat ist es außergewöhnlich, wie Gavi nach dem Treffer mental anscheinend direkt umschaltet, wie er sich direkt um den nächsten Sturmlauf seiner Mannschaft kümmert. Demselben Muster war er bereits nach seinem eigenen Tor zum 1:0 gefolgt, ebenso mit vollem Einsatz seiner Gesichtsmuskulatur. Aber auch abgesehen von seinem aggressiven Jubel ist der Spanier ein besonderer Spieler.
Führungsspieler mit 18
Eigentlich ist Gavi im zentralen Mittelfeld beheimatet, doch strahlte er beim Clásico-Triumph auch deshalb eine so große Torgefahr aus, weil sein Trainer ihn auf dem linken Flügel aufbot. Zumindest auf dem Papier, denn im Endeffekt war Gavi gefühlt überall zu finden. Er organisierte Angriffe wie gewohnt aus dem Zentrum heraus, befand sich in den richtigen Momenten aber als Vorbereiter oder Vollstrecker im gegnerischen Sechzehner.
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Nach dem Sieg bezeichnete ihn die Marca als „unantastbaren Spieler in der Barça-Elf“ und Trainer Xavi sagte sogar, er fühle sich schlecht, wenn sein Schützling nicht spiele. Das klingt nach einer gestandenen Führungskraft und jahrelanger Profi-Erfahrung. In gewisser Hinsicht trifft zumindest das erste Attribut zu, denn Barças Nummer 30 brachte es in der vergangenen Saison auf 47 Pflichtspieleinsätze für den Klub und stand zudem bei der WM in allen vier Spielen in Spaniens Startelf. Doch Gavi ist erst 18 Jahre alt und die Supercopa sein erster Titelgewinn im Profifußball.
Nur sieben über 70
Golden Boy und Kopa-Trophäe 2022, eine Passquote von 91 Prozent in der laufenden La-Liga-Saison und damit unterwegs in Sphären eines Luka Modrić – die Lobeshymne könnte hier noch lange weitergehen. Zum realistischen Abbild der Karriere des Teenagers gehört aber auch, dass der Treffer im Supercopa-Finale sein erster für die Blaugrana seit Februar 2022 war. Und dass er von 16 Liga-Einsätzen nur sieben Mal mehr als 70 Minuten spielte. Nicht in jeder Partie ist er also über die vollen 90 Minuten die Torgefahr in Person.
So erzeugte der junge Spanier in den vergangenen anderthalb Jahren laut fbref.com durchschnittlich knapp drei Torschüsse pro Spiel, das heißt, ein Pass oder gewonnener Zweikampf von ihm führt unmittelbar zum Torabschluss seiner Mannschaft. Sein Teamkollege Pedri übertrifft Gavis Wert um etwa einen weiteren Schuss, dessen Entstehung er pro Spiel begünstigt. Zudem hat Gavis Mittelfeldpartner eine um 10 Prozent höhere Erfolgsquote bei Dribblings.
Freigeist mit offenen Schuhen
Allerdings, und das ist charakteristisch für den 18-Jährigen, hat er vor allem in seiner Debütsaison auch sehr häufig zum Dribbling angesetzt (88 Mal). So läuft er deutlich mehr mit dem Ball am Fuß als andere Achter. Zum Vergleich: Joshua Kimmich kam in der abgelaufenen Spielzeit auf 41, Ilkay Gündogan auf 35 und Luka Modrić setzte 48 Mal zum Dribbling an.
Gavi ist also ein fummelfreudiger Freigeist, der, so scheint es, besonders dann seine Stärken zur Geltung bringen kann, wenn man ihm den Raum dazu gibt. Am Sonntag war er überragend, weil er die Rolle als „falscher Flügelstürmer“ sehr offen interpretieren konnte. Apropos: Seine Schuhe trägt der Youngster mit offenen Schnürsenkeln. Die Bändchen flattern auf dem Feld um seine Knöchel. Gavi versprüht Unbekümmertheit und Mut, Verspieltheit und ein Fünkchen Jugend.
„Es ist unglaublich, mit wie viel Herz er spielt“
Natürlich geht da aber noch mehr. Gegenüber der spanischen mediotiempo sagte Gavi nach dem Clásico-Erfolg, es gebe noch viele Aspekte, in denen er sich verbessern könne. Aber: „Ich sehe mich auf einem guten Weg.“ In der Tat scheint Gavi in der richtigen Richtung unterwegs zu sein. So ist er durch seinen Treffer gegen Real nun der jüngste Supercopa-Torschütze aller Zeiten. Zuvor hielt sein Coach Xavi diesen Rekord.
Der schien jedoch keineswegs erzürnt, sondern hatte bei der Pressekonferenz eine warme Dusche für Gavi vorbereitet: „Das ist pure Leidenschaft, pure Seele und damit steckt er die anderen an. Es ist unglaublich, mit wie viel Herz er spielt. Dieser Junge hat kein Limit.“
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